Wieder erklingt die Mahnung aus Oslo, der Stadt des Friedensnobelpreises: Atomwaffen sind eine existentielle Bedrohung – für die Menschheit, für den Planeten. Sie müssen abgeschafft werden.
Mit der wohlverdienten und längst überfälligen Auszeichnung von Nihon Hidankyō würdigt das Nobelkomitee erneut die globale Bewegung gegen Atomwaffen. Zu den früheren Preisträgern zählen unter anderem Eisaku Satō (1974), die IPPNW (1985), die Pugwash Konferenzen mit dem Physiker Joseph Rotblat (1995) sowie ICAN (2017).
Nihon Hidankyō vertritt seit 1956 die Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, aber auch die Betroffenen der Atomtests im Pazifik. Die Überlebenden – auf japanisch Hibakusha – haben die unbeschreiblichen Auswirkungen von Atombomben am eigenen Leib erfahren und sich jahrzehntelang für deren Abrüstung eingesetzt. Nie wieder! lautet ihr Motto. Nie wieder Atombomben, nie wieder nukleare Zerstörung.
Friedensnobelpreise gegen Atomwaffen
Die Würdigung der Hibakusha ist ein Aufruf an alle Staatschefs, insbesondere der Atomwaffenstaaten, nukleare Abrüstung endlich umzusetzen. Dazu sind sie auch völkerrechtlich verpflichtet. Doch seit Jahrzehnten modernisieren diese Staaten ihre Arsenale und rüsten auf, während neue Regierungen immer lauter über eigene Nuklearwaffen nachdenken. Ob in der Ukraine, im Nahen Osten oder im Südchinesischen Meer – Atomwaffenstaaten sind in den schlimmsten Konfliktherden unserer Zeit verwickelt und entblößen damit den Mythos von Atomwaffen als vermeintlich stabilisierenden Faktor der Weltpolitik.

Durch die Verkündung des Nobelpreises bestärkt das Komitee in Oslo die Forderung der Hibakusha und unserer Kampagne: Die Atomwaffenstaaten müssen zum Verhandlungstisch zurückkehren, um konkrete Maßnahmen zur Risikominderung und nuklearen Abrüstung zu vereinbaren! Diese schrecklichsten aller Massenvernichtungswaffen müssen endlich abgeschafft werden.
Rückenwind für das Atomwaffenverbot
Mit ihrem lebenslangen Einsatz gegen Atomwaffen bilden die Hibakusha nicht nur den Auftakt unserer globalen Bewegung gegen die Bombe. Sie haben das Fundament einer mächtigen internationalen Norm gelegt: das Nukleare Tabu. Noch immer gilt der Einsatz von Atomwaffen weltweit als so unmoralisch, so verwerflich, dass Regierungen davor zurückschrecken, sie einzusetzen. Dass seit fast 80 Jahren keine Atomwaffe in einem Krieg eingesetzt wurde, ist der größte Erfolg unserer Bewegung.

Unser zweitgrößter Erfolg ist der UN-Verbotsvertrag gegen Atomwaffen. Dafür haben wir 2017 den Friedensnobelpreis erhalten. Trotz des teils heftigen Widerstands der Atomwaffenstaaten hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen dieses Meilensteinabkommen mit großer Mehrheit beschlossen. Die Bundesregierung hat damals dagegen gestimmt – gegen den Verbotsvertrag, und damit gegen den Appell der Hibakusha.
„Bitte tut was ihr könnt“
Als Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen ist dieser Appell der Überlebenden unsere Mission. Wir treten weiter dafür ein, dass alle Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen, auch Deutschland. Hierfür ist unsere Lobbyarbeit zentral, doch ebenso wichtig sind unsere Bildungsprojekte.

Kaum etwas beeindruckt die jungen Teilnehmenden unserer ICAN-Bildungsangebote so sehr, wie der persönliche Austausch mit Hibakusha. Bei einer Delegationsreise nach Japan erzählte Keiko Ogura, die als junges Mädchen die Zerstörung Hiroshima miterlebte, einer Gruppe von jungen Menschen aus Deutschland ihre Geschichte. Sie beschrieb die glühende Hitze und die Flammen um sie herum. Sie erzählte, wie sie damals von ihrer Familie getrennt wurde, verloren in der brennenden Stadt, um sie herum fliehende und sterbende Menschen. Keiko sprach von den Narben, die dieser Tag hinterlassen hat und appellierte an die jungen Menschen: „Ihr seid an der Reihe. Bitte tut was ihr könnt.“
Unsere Arbeit geht weiter
Eines Tages werden die Hibakusha nicht mehr als Zeitzeugen unter uns sein. Viele von ihnen sind bereits verstorben, schon jetzt verblassen die Erinnerungen an die Katastrophen in Hiroshima und Nagasaki. Damit wird die Arbeit unserer Kampagne immer wichtiger.
Wir können nicht auf Staatschefs warten. Wir können nicht davon ausgehen, dass jemand anderes das atomare Problem löst. Es braucht uns – es braucht unsere Kampagne, um das Nukleare Tabu zu schützen, die Erinnerungen der Hibakusha weiterzugeben und den Wunsch nach einer Welt ohne Atomwaffen zu erfüllen.
Ein Kommentar von Sebastian Niemetz