Die Vertragsstaatenkonferenzen des AVV

von Florian Eblenkamp

Als Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland hatte ich das Privileg, sowohl an der ersten als auch an der zweiten Staatenkonferenz der Vertragsparteien des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) teilzunehmen. Diese Konferenzen waren nicht nur bürokratisch-diplomatische Treffen, sondern in erster Linie auch ein inspirierender Beweis dafür, wie weit die internationale Gemeinschaft in ihrem Streben nach einer atomwaffenfreien Welt gekommen ist. ICAN Deutschland spielte bei diesen durchaus historischen Ereignissen eine wichtige Rolle, indem wir sowohl die Zivilgesellschaft als auch politische Entscheidungsträger*innen mobilisierten, um den Druck auf unsere Regierung zu erhöhen, sich endlich dem AVV anzuschließen.

Die erste Staatenkonferenz: Ein historischer Auftakt

Die erste Staatenkonferenz der Vertragsparteien des AVV im Juni 2022 in Wien war ein Moment, den ich nie vergessen werde. Es war das erste Mal, dass Staaten und zivilgesellschaftliche Akteure zusammenkamen, um die konkrete Umsetzung des Atomwaffenverbotsvertrags zu gestalten. ICAN Deutschland war nicht nur als Beobachter dabei, sondern wir haben aktiv daran gearbeitet, dass die Perspektiven der deutschen Zivilgesellschaft Gehör finden.

ICAN Deutschland bei der ersten Vertragsstaatenkonferenz 2021 in Wien

Ein besonderes Highlight war unsere Teilnahme am „Nuclear Ban Forum“, das von ICAN organisiert wurde. Hier konnten wir die humanitären Folgen von Atomwaffen in den Mittelpunkt der Diskussion stellen – die Basis für unseren Ansatz, über Atomwaffen nachzudenken. Besonders eindrücklich wurde das Leid durch Atomwaffentests zu einem zentralen Element der Diskussionen. Diese humanitären Dimensionen rückten in den Diskussionen mehr in den Fokus, und wir konnten wichtige Akzente setzen, um sicherzustellen, dass die Opfer von Atomwaffen und Atomtests gehört und geschätzt werden.

Nuclear Ban Forum

Die Konferenztage waren intensiv. Es war beeindruckend zu sehen, wie Staaten, die den AVV bereits ratifiziert hatten, ihre Pläne und Strategien teilten, um die Abrüstung voranzutreiben. ICAN Deutschland nutzte diese Gelegenheit, um auf die besondere Verantwortung Deutschlands als NATO-Mitglied hinzuweisen. Wir haben auch im persönlichen Gespräch mit der Delegation der Bundesregierung klar gemacht, dass Deutschland, trotz seiner Bündnisverpflichtungen, eine moralische Verpflichtung hat, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen. Aus dieser Konferenz ist dann die auch öffentlich kundgetane Bereitschaft der Regierung erwachsen, zumindest die humanitären Folgen von Atomwaffen anzuerkennen und Projekte zur Kompensation zu “prüfen”. 

Die zweite Staatenkonferenz: Herausforderungen und Fortschritte

Im November 2023 fand die zweite Staatenkonferenz in New York statt, und auch diesmal war ICAN Deutschland mit einer Delegation vertreten. Diese Konferenz fand in einem deutlich angespannten geopolitischen Kontext statt, was sich in den Diskussionen widerspiegelte. Doch trotz der Herausforderungen war der Fortschritt  unübersehbar.

Die zweite Vertragsstaatenkonferenz 2023 in New York

ICAN Deutschland organisierte ein Side Event, das sich auf die humanitären Projekte konzentrierte, die zur Unterstützung der Opfer von Atomwaffen ins Leben gerufen wurden. Wir thematisierten dort vor allem den ungenügenden Zugang zu Foren wie den Vereinten Nationen, wo doch eigentlich die Perspektive der Betroffenen im Vordergrund stehen sollte. In der Realität haben aber viele Menschen, die unter den Folgen von Atomwaffentests leiden, mit Visa Restriktionen, horrenden Kosten und nahezu keiner staatlichen Unterstützung zu kämpfen. Während der Konferenz war es dann sehr ermutigend zu sehen, wie viele Staaten diese humanitären Fragen als essentiellen Bestandteil der Vertragsumsetzung anerkannten.

Besonders interessant war die Diskussion über die nukleare Abschreckung. Viele der anwesenden Staaten wiesen darauf hin, dass das Konzept der Abschreckung nicht nur unhaltbar, sondern auch hochriskant ist. Als ICAN Deutschland haben wir stets betont, dass die Existenz von Atomwaffen keine Sicherheit, sondern Unsicherheit schafft. Diese Botschaft wurde in New York deutlich vernommen.

Deutschlands Rolle: Eine verpasste Chance?

Es ist und bleibt mitunter frustrierend, dass Deutschland weiterhin eine passive Rolle in Bezug auf den AVV einnimmt. Während andere Staaten voranschreiten und konkrete Schritte zur Umsetzung des Vertrags unternehmen, versteckt sich die Bundesregierung hinter der NATO-Mitgliedschaft und der fortgesetzten nuklearen Teilhabe. 

Doch wir geben nicht auf. In den Gesprächen, die ich mit anderen Delegationen und zivilgesellschaftlichen Vertretern führte, wurde deutlich, dass Deutschland eine Schlüsselrolle spielen könnte, wenn es sich entschließen würde, den AVV zu unterstützen. Wir setzen uns intensiv dafür ein, dass Deutschland den Mut findet, sich von der nuklearen Abschreckung zu distanzieren und den AVV zu ratifizieren. 

Schon jetzt sehen wir erste Erfolge: Die deutsche Zivilgesellschaft mobilisiert sich zunehmend, und auch auf politischer Ebene gibt es immer mehr Stimmen, die eine Annäherung an den AVV fordern. ICAN Deutschland wird weiterhin alles daransetzen, diese Bewegung zu unterstützen und den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Und vergessen wir nicht, dass selbst die beobachtende Teilnahme an den AVV Konferenzen lange als undenkbar galt. Immerhin haben wir erreicht, dass Deutschland den AVV nicht mehr boykottiert.

Ein Blick in die Zukunft: Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt

Die Staatenkonferenzen des AVV haben mir gezeigt, wie viel bereits erreicht wurde – aber auch, wie viel noch zu tun ist. ICAN Deutschland wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen, um sicherzustellen, dass der Atomwaffenverbotsvertrag ein wirksames Instrument zur vollständigen Abschaffung von Atomwaffen wird.

Die Delegation von ICAN Deutschland 2023 in New York

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um den Vertrag weiter zu stärken und mehr Staaten zur Ratifizierung zu bewegen, selbstverständlich auch Deutschland. Unsere Lobbyarbeit bei den Staatenkonferenzen und darüber hinaus werden wir fortsetzen. 

Es bleibt viel zu tun, aber mit der Unterstützung von ICAN und unserer weltweiten Partner sind wir auf dem richtigen Weg. Gemeinsam können wir den Traum von einer Welt ohne Atomwaffen verwirklichen.

Florian Eblenkamp ist langjähriges Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland.

 

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