von Annalena Enold
Das erste Mal in Kontakt mit der Arbeit von ICAN kam ich, als ich während meines Bachelor-Studiums eine Hausarbeit über den Atomwaffenverbotsvertrag (AAV) schrieb und darüber, warum Deutschland diesem wichtigen Abkommen nicht beitritt. Ich las viel über die „Vorzüge“ atomarer Abschreckung und die „Notwendigkeit“ US-amerikanischer Atombomben in Deutschland. Aber auch über Atomwaffentests in den Gebieten ehemaliger Kolonien und indigener Völker, über Frauen die unfruchtbar werden und über die Ausbeutung von Uranvorkommen in Ländern des Globalen Südens, die den Menschen vor Ort nichts hinterlässt als radioaktiven Schutt.
Feministische und postkoloniale Perspektiven in der Politikwissenschaft hatten es mir schon länger angetan. Beim Thema Atomwaffen treffen diese beiden Ansätze an verschiedenen Stellen der nuklearen Kette sowohl aufeinander, als auch auf einige der drängendsten aktuellen Fragen in puncto Sicherheit und globale Gerechtigkeit. Mein Interesse war geweckt.
Als mich ein paar Wochen später die Einladung zur nächsten Nukipedia erreichte, zögerte ich nicht lang und meldete mich an. An einem kalten Wochenende im April 2024 fuhr ich also nach Berlin, um mich zwei Tage lang intensiv mit Atomwaffen zu beschäftigen. In verschiedenen Vorträgen und Workshops habe ich einiges Bekanntes, vor allem aber viel Neues gehört. Von den physikalischen Hintergründen einer Atombombe und den Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt, über die nukleare Kette bis hin zu einem Gespräch mit jungen Aktivist*innen von STOP in Kasachstan – mit jedem Tagesordnungspunkt wurde klarer, was mir schon davor irgendwie diffus bewusst war: Das mit den Atomwaffen ist von vorne bis hinten eine ziemlich beschi***e Idee.

Dass ich dieses Wochenende trotz alldem nicht total deprimierend in Erinnerung behalten habe, lag an den Menschen, die ich kennenlernen und mit denen ich mich austauschen durfte. Wahnsinnig sympathische Menschen, die Lust haben, etwas zu verändern und die unermüdlich für eine bessere Welt kämpfen. Klingt nach viel Pathos, aber so ist es nun mal: Eine Welt ohne Atomwaffen wäre in jeder Hinsicht einfach eine bessere.

Zwei Tage nach der Nukipedia schickte ich meine Bewerbung für ein dreimonatiges Praktikum bei ICAN ab. Hier sitze ich nun seit Anfang September im Machwerk in Berlin mit Aicha und Sebastian und versuche meinen kleinen Teil zur Arbeit von ICAN beizutragen – ob mit Social Media Beiträgen, der Unterstützung bei der Organisation der Ausstellung „Artists Against the Bomb“ oder Texten wie diesem. Was ICAN dabei für mich auszeichnet ist – neben der Relevanz des Anliegens im Großen – zum einen die Vielseitigkeit der Arbeit, die ICAN leistet und damit die unterschiedlichen Arten und Weisen, wie sich alle gemäß ihren Interessen und Stärken einbringen können. Von Fundraising und administrativen Aufgaben, über die Gründung von Ortsgruppen, Teilnahme bei Demos und Aktionsständen oder die Orga des Protestcamps in Nörvenich, bis hin zu Input-Vorträgen bei der Nukipedia und dem Netzwerken mit anderen Organisationen. Da ist für jede*n was dabei!

Zum anderen sind es die Menschen und das herzliche Miteinander, ob im Büro, bei Netzwerktreffen oder der Mitgliederversammlung. Dass einem überall offen und zugewandt begegnet wird, macht den Einstieg in die Vereinsarbeit leichter und den Umgang mit dem oft deprimierenden und frustrierenden Kampf gegen Atomwaffen deutlich erträglicher.
Ende November findet die nächste Nukipedia statt, dann mit einem Fokus auf den Zusammenhang zwischen Atomwaffen und der Klimakrise. Diesmal darf ich nicht „nur“ teilnehmen, sondern mitorganisieren – und hoffentlich weitere Menschen für den Verein begeistern. Mal sehen, wies für mich bei ICAN nach meinem Praktikum weitergeht – ich wäre nicht die erste, bei der das Praktikum nur die „Einstiegsdroge“ in die Arbeit von ICAN war. Bis dahin stickere ich mich fleißig weiter durch die Gegend. Weil ein Atomkrieg nicht nur Katzenbabys schaden würde.
Annalena Enold studiert derzeit Politikwissenschaften im Master in Dresden. Seit Anfang September ist sie Praktikantin im Büro von ICAN in Berlin.