von Janina Rüther
Als ich gefragt wurde, ob ich einen Blogeintrag zum Jubiläum von ICAN Deutschland schreiben möchte, war der Abschluss der Kampagne “Nuclear Survivors” erst wenige Wochen her. Die Kampagne, die zirka ein Jahr lief, fühlt sich gleichzeitig nah und irgendwie auch fern an. Nah aufgrund all der lebendigen Erinnerungen und fern, weil sich seitdem so viel getan hat. Es bleibt auf jeden Fall eine spannende Zeit in der Geschichte von ICAN Deutschland und ich bin dankbar, dass diese auch Teil meiner eigenen ist.
Meine Reise mit ICAN Deutschland begann bereits 2022 als Praktikantin in der Körtestraße, in dem kleinen Büro in Berlin – und führte mich schließlich nach Hiroshima, Wien, New York und Almaty. 2023 bin ich in die Position als Campaignerin mehr oder weniger reingestolpert – von meinem Bewerbungsgespräch vom G7 Youth Summit in Hiroshima aus direkt nach Berlin. Mit der Frage, was eigentlich eine Kampagne ist, wie diese heißen und worum es gehen soll, habe ich mich in den ersten Wochen beschäftigt. “Nuclear Survivors – gemeinsam für nukelare Gerechtigkeit” – ein Titel, der für die nächsten Wochen und Monate einen großen Teil meines Lebens ausmachen sollte.

Im Laufe des Jahres konnte ich an vielen Veranstaltungen mitwirken: von der NPT-PrepCom in Wien, der 2MSP in New York über das Klimacamp in Nörvenich bis hin zu Treffen mit Aktivist*innen und Überlebenden aus der ganzen Welt. Die Veranstaltungsreihe zu den Atombombenabwürfen, Atomwaffentests und zum Uranabbau sowie die Broschüre “Nukleare Gerechtigkeit: Eine globale Perspektive auf die Auswirkungen von Nuklearwaffen” haben mich in Kontakt mit unfassbar inspirierenden und starken Menschen gebracht, mit bekannten und bis dato unbekannten Gesichtern. Eine der prägendsten Erfahrungen war aber zweifellos unsere Bildungsreise nach Kasachstan, die wir zusammen mit STOP und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten.

Diese Reise war in jeder Hinsicht viel: Viele Orte, viele Menschen, viele Geschichten, viele Eindrücke und viele Emotionen. Nur eins kam vielleicht etwas zu kurz: der Schlaf. Trotz dessen war jeder Moment extrem intensiv. Die Bildungsreise war die erste dieser Art im Kontext der nuklearen Abrüstung, was sie noch ein Stück besonderer macht. Und obwohl die Idee lange in der Luft lag, fühlte es sich fast unwirklich an, als wir schließlich im Mai 2024 unsere Koffer packten und nach Astana, Semey und Almaty flogen. Wir sprachen mit Menschen, die direkt von den verheerenden Folgen der Atomwaffentests betroffen sind – Menschen, deren Familien durch Strahlung erkrankten oder starben, deren Heimat unwiederbringlich zerstört wurde. Diese Begegnungen haben uns alle tief bewegt. Ihre Geschichten sind eindringliche Erinnerungen daran, warum Engagement gegen Atomwaffen so unabdinglich ist. Wir sprachen auch mit Politiker*innen und Student*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen. Wir besuchten Denkmäler, das Außenministerium, das Rathaus, Universitäten, aber auch Cafés, Restaurants und die ein oder andere Bar.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie wir im Vorfeld der Reise in New York saßen und mit Aigerim von STOP Pläne schmiedeten. Es war ein spontanes Gespräch, bei dem wir Ideen für die Bildungsreise entwickelten. Damals schien es noch so weit weg, und doch wurde die Idee nur wenige Monate später Realität. Die Reise hat mir wieder einmal gezeigt, wie kraftvoll der Austausch von Geschichten und Erfahrungen sein kann – und wie sehr uns solche Begegnungen zusammenbringen.
Während der Zeit bei ICAN Deutschland habe ich viele neue Freund*innenschaften geschlossen – mit Menschen, die die gleichen Werte teilen, den Drang verspüren, etwas zu verändern und mit denen man – in den richtigen Momenten – auch einfach viel lachen kann. Die Mischung aus intensiven Gesprächen bei den Verhandlungen der Vereinten Nationen, dem Erzählen der persönlichsten Geschichten und gemeinsamen Karaoke singen machen für mich die Arbeit in dem Feld der nuklearen Abrüstung und die Arbeit (und das Vergnügen) mit ICAN Deutschland aus.

Bei der Kampagne “Nuclear Survivors” ging es in jeder Hinsicht immer um die Menschen. Um die Betroffenen, die Entscheidungsträger*innen, die Aktivist*innen. Besonders in dem Feld der nuklearen Abrüstung, welches schnell so erschlagend und aussichtslos wirken kann, sind es genau diese Menschen, die die Hoffnung zurückbringen. Und ich bin mir sicher, dass auch in den nächsten Jahren noch viele spannende Projekte zustande kommen, die genauso vielseitige Geschichten und tolle Erinnerungen wecken werden, wie dieser Abschnitt es tut. Ich freue mich darauf.

Janina Rüther ist langjähriges Mitglied von ICAN Deutschland. Von 2022 bis 2023 war sie als Campaignerin im Rahmen der Kampagne „Nuclear Survivors“ für ICAN tätig. Seit Oktober 2024 ist sie Mitglied des Vorstands.