Bunkerfoto mit Text: "Schützen uns Bunker vor Atombomben? Trügerische Sicherheit in Zeiten atomarer Bedrohung"

Der nächste Bunker-Hype?

Trügerische Sicherheit in Zeiten nuklearer Bedrohung

Die Angst vor Krieg wächst in Deutschland, und mit ihr erlebt die Debatte um Bunker und Zivilschutz wieder Aufwind Zeitschriften wie der Spiegel sprechen von einem zunehmenden Interesse an Schutzräumen: Wohlhabende und Milliardär*innen wie Mark Zuckerberg bauen sich Privatbunker, Prepper*innen rüsten sich für den Weltuntergang und die Bundesregierung nimmt den Bestand an Schutzräumen unter die Lupe (Schreiber & Ziegler, 2025; Drucksache 20/14572, 2025). Doch bieten Bunker tatsächlich Schutz in einem Atomkrieg?

Die verheerenden Folgen eines Atomschlags auf Deutschland

Ein nuklearer Angriff auf Deutschland wäre katastrophal. Die ICAN-Studie „No Place to Hide“ veranschaulicht, welche Zerstörung eine einzige 100-Kilotonnen-Atombombe – heutzutage eine Sprengkraft im mittleren Bereich, wobei es durchaus stärkere Atombomben gibt – über der Bundeshauptstadt Berlin anrichten würde. Der Abwurf würde sofort über 166.000 Menschen das Leben kosten, verursacht durch die immense Druckwelle und extreme Hitze. Mehr als 600.000 Menschen würden verletzt und bräuchten dringend medizinische Hilfe – das entspricht rund 20 % der Berliner Bevölkerung. In einem Radius von etwa 4,38 Kilometern um den Einschlagsort erleiden Menschen Verbrennungen dritten Grades. Doch die medizinische Versorgung wäre zusammengebrochen: Ein Drittel aller Krankenhäuser wäre zerstört oder schwer beschädigt und 20 % des medizinischen Personals tot oder verletzt. Es würden nur noch knapp 15.000 Krankenhausbetten verbleiben, nur etwa 170 Betten für Verbrennungsopfer sind laut der deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin deutschlandweit vorhanden – eine völlig unzureichende Zahl angesichts der hunderttausenden Verletzten (Sanders-Zakre et al., 2022, S. 28 f.; Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin e. V., o. D.).

Hinzu kommt, dass ein Atomkrieg nicht auf eine einzelne Explosion in Berlin beschränkt bliebe, sondern ein koordinierter Angriff mit mehreren Sprengköpfen auf verschiedene Städte in Deutschland flächendeckende Zerstörung bedeuten würde. Könnten Bunker in einem solchen Szenario also Schutz vor diesem unvorstellbaren Leid bieten?

Das Ende der Bunker in Deutschland

Mit dem Ende des Kalten Krieges wurden die meisten Bunker aufgegeben – sie wurden umgebaut als Museen, Clubs oder Lagerhallen oder schlicht dem Verfall überlassen (Schreiber & Ziegler, 2025).

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine flammt die Diskussion um Zivilschutz jedoch wieder auf.

Aktuell existieren noch 579 öffentliche Schutzräume in Deutschland in öffentlicher Hand- für die Zivilbevölkerung sind laut Bundesregierung davon jedoch keine funktions- oder einsatzfähig: marode Wände, fehlende Wasserversorgung, keine Elektrizität. Selbst wenn diese Bunker saniert würden, könnten sie nur 478.000 Menschen aufnehmen – das wären 0,6% der Bevölkerung in Deutschland (Drucksache 20/14572, 2025, S. 16). Die noch existierenden Bunker sind außerdem ungleich verteilt: Mehr als die Hälfte der Bunker befindet sich in Bayern und Baden-Württemberg, während in den ostdeutschen Bundesländern kein einziger mehr steht! Der Aufbau eines neuen umfassenden Schutzraumnetzes für alle Bürger*innen würde laut Spiegel mindestens 140 Milliarden Euro kosten und viele Jahrzehnte dauern (Schreiber & Ziegler, 2025). Das wäre nicht nur viel zu spät, sondern würde auch nichts bringen, denn: Bunker sind gegen Atomwaffen nicht sicher.

Bunker sichern kein Überleben

Bunker werden oft als ultimative Schutzmaßnahme dargestellt. Doch sie vermitteln ein Sicherheitsgefühl, das in einem nuklearen Konflikt nicht existiert. Selbst wenn genügend Schutzräume vorhanden wären, könnten sie das Überleben in einer atomaren Katastrophe aus vielen Gründen nicht garantieren (ICAN, 2023, S. 1).

Die Zeit rennt

Im Falle eines nuklearen Angriffs bleiben nur wenige Minuten Zeit, einen Bunker zu erreichen, bevor die Bombe einschlägt. Insbesondere in Städten würde es zu Chaos und Massenpanik kommen, was ein rechtzeitiges Erreichen des Bunkers und darin Platz zu finden fast unmöglich macht (ICAN, 2023, S. 2).

Bunker sind nicht sicher

Selbst wenn man es rechtzeitig in einen Bunker schafft, ist Überleben unwahrscheinlich. Ob ein Bunker Schutz gegen einen nuklearen Angriff bietet, hängt von der Bombengröße und der Entfernung zur Explosion ab. Bunker können zerschmelzen, zerbersten und überhitzen, wie riesige Öfen, würde dies alle Insassen töten. Auch gibt es heutzutage speziell bunkerbrechende Atombomben, die auch die tiefsten Bunker gezielt zerstören können (ICAN, 2023, S. 3).

Gefangen auf ungewisse Zeit

Selbst wenn man die Explosion überlebt, ist es unklar, wie lange man im Bunker verweilen muss, damit man beim Verlassen nicht von der gefährlichen radioaktiven Kontamination betroffen ist; dies kann viele Wochen bis Monate dauern. Stellen wir uns vor, wie das Überleben im Bunker während dieser Zeit tatsächlich aussehen könnte:

Die Menschen wären mit einer Vielzahl extremer Herausforderungen konfrontiert: Die Lebensmittelvorräte sind begrenzt, sanitäre Einrichtungen fehlen und durch die mangelnde Entsorgung menschlicher Abfälle entstehen nicht nur unangenehme, sondern potenziell gefährliche Hygienebedingungen. Fließendes Wasser steht nicht zur Verfügung, Ungeziefer beginnt sich auszubreiten. Einige Überlebende sterben an den unmittelbaren Folgen des Atomschlags oder an Krankheiten – ihre Leichen müssen irgendwie verwahrt werden, während sich gleichzeitig Keime und Krankheiten ausbreiten. Nicht zuletzt ist die Versorgung mit frischer Luft eine ständige und lebenswichtige Aufgabe, die ohne technische Hilfsmittel schnell zur existenziellen Bedrohung werden kann. Eine Kommunikation mit der Außenwelt wäre nahezu unmöglich, da die elektromagnetischen Impulse einer Atombombe technische Geräte und Stromversorgung zerstören können. Auch nach Verlassen des Bunkers bleibt das Überleben schwer: Humanitäre Hilfe wird es nicht geben. Niemand wird Lebensmittel oder Wasser bereitstellen und niemand wird die Menschen in nicht-kontaminiertes Gebiet evakuieren können (ICAN, 2023, S. 3 f.).

Bunker als politische Scheinlösung

Die aktuellen Debatten um Schutzräume in Deutschland lenken von der zentralen politischen Verantwortung ab: Atomwaffen bedrohen unser aller Sicherheit – und zwar ständig. Für mehr Sicherheit können deshalb nur konkrete Schritte der nuklearen Abrüstung sorgen! Die wirksamste Sicherheitsvorkehrung gegen einen Atomschlag ist die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags und somit die Verpflichtung zur Abrüstung aller Nuklearwaffen, die Staaten besitzen oder bei sich stationiert haben. Denn ein Atomschlag würde eine weltweite humanitäre Katastrophe auslösen: Tote, Hungersnöte, immense gesundheitliche Probleme und Fluchtbewegungen. Das Konzept nuklearer Abschreckung bietet dagegen keine tragfähige Sicherheitsgarantie, denn je mehr Atomwaffen existieren, desto größer ist die Gefahr ihres Einsatzes. (Austria 2025; Xia et al., 2022). Bunker bieten dagegen keinen Schutz, denn die allerwenigsten können einer Atombombe standhalten. Die Vorstellung, man könne sich vor Atomwaffen im Bunker schützen, trägt zur Verharmlosung der nuklearen Bedrohung bei..

Statt hunderte Milliarden in flächendeckende Bunkersysteme zu investieren, sollten diese Ressourcen besser in diplomatische Bemühungen und die Unterstützung der Vereinten Nationen und dem Atomwaffenverbotsvertrag fließen, damit ein Atomkrieg gar nicht erst ausbricht. Echter Schutz vor einem nuklearen Konflikt entsteht nicht durch Betonmauern, sondern durch die konsequente Ächtung und Abschaffung dieser Waffen.

 

Quellen

Austria. (2025). Report of the coordinator for the consultative process on security concerns of States under the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons (Austria). In Third Meeting Of States Parties To The Treaty On The Prohibition Of Nuclear Weapons. https://reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/nuclear-weapon-ban/3msp/documents/7r.pdf

Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin e. V. (o. D.). Verbrennungszentren in Deutschland. Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin. https://verbrennungsmedizin.de/brandverletztenzentren

Drucksache, 20/14364. (2025, 10. Januar). https://dserver.bundestag.de/btd/20/145/2014572.pdf

ICAN. (2023). Debunking nuclear bunkers. https://assets.nationbuilder.com/ican/pages/3804/attachments/original/1690876942/Debunking_Bunkers_-_1_August.pdf

Sanders-Zakre, A., De Verdier, M. & Lind, J. (2022). NO PLACE TO HIDE: NUCLEAR WEAPONS AND THE COLLAPSE OF HEALTH CARE SYSTEMS. In www.icanw.org. ICAN. https://d3n8a8pro7vhmx.cloudfront.net/ican/pages/2544/attachments/original/1644334250/NoPlacetoHide-ICAN-Report-Feb2022-web.pdf

Schreiber, A. & Ziegler, J.-P. (2025, 1. Januar). Die neue Bunkermentalität. Spiegel Panorama. https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/deutschland-koennen-uns-bunker-heute-schuetzen-und-haben-wir-genug-a-73321fce-02fc-402e-97e3-439d57a1ac0c

Xia, L., Robock, A., Scherrer, K., Harrison, C. S., Bodirsky, B. L., Weindl, I., Jägermeyr, J., Bardeen, C. G., Toon, O. B. & Heneghan, R. (2022). Global food insecurity and famine from reduced crop, marine fishery and livestock production due to climate disruption from nuclear war soot injection. Nature Food, 3(8), 586–596. https://doi.org/10.1038/s43016-022-00573-0