ICAN Europe zur Debatte um europäischen Nuklearschirm

Gemeinsame Erklärung von 35 europäischen ICAN-Partnerorganisationen:

New York, 7. März. 2025 – Unsere Organisationen, europäische Partnerorganisationen der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), sind alarmiert über die gefährliche und zunehmende Rhetorik einiger unserer Staats- und Regierungschefs zugunsten eines französisch-britischen nuklearen Schutzschilds. Diese Entwicklung untergräbt jahrzehntelange europäische Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung, Nichtverbreitung und zum internationalen Recht und offenbart eine tiefgreifende Heuchelei. An einem Tag behaupten diese Staaten, die internationale Sicherheitsarchitektur – insbesondere den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) – zu unterstützen, und am nächsten diskutieren sie offen über nukleare Aufrüstung. Ihr Bemühen, die nuklearen Drohungen anderer zu verurteilen, wird mit jedem Tag unglaubwürdiger. Es steht außer Frage, dass diese Pläne, sollten sie umgesetzt werden, die Sicherheit der Europäer:innen und letztlich aller Staaten verringern würden.

Video: United Nations | UN Web TV

Wir erleben eine zunehmende Rhetorik, die Atomwaffen als Sicherheitsstrategie in unseren europäischen Ländern darstellt. Wir jedoch teilen die Überzeugung, dass nukleare Abschreckung niemals eine verantwortungsvolle oder nachhaltige Sicherheitsstrategie sein kann. Nukleare Abschreckung ist keine Lösung – sie ist Teil des Problems. Sie bedeutet zwangsläufig ständige Bereitschaft, Fähigkeit und Drohung, Massenmord an Zivilbevölkerungen zu begehen. Dies ist ein zynisches Verständnis von Sicherheit. Es ist verwerflich, wenn irgendein Staat – insbesondere jedoch jene, die vorgeben, Demokratie, Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht zu verteidigen und zu fördern – darüber spricht, zivile Leben und Existenzen aufs Spiel zu setzen.

Europa öffnet die Tür zur nuklearer Verbreitung

Europäische Regierungen haben sich lange als Verteidiger des Völkerrechts, einschließlich des humanitären Völkerrechts, positioniert und damit den Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) gestärkt. Sie haben argumentiert, dass die Reduzierung von Atomwaffenbeständen und die Förderung von Rüstungskontrollmaßnahmen Beweise für ihr Engagement für den NVV seien. Doch am 55. Jahrestag des NVV kündigte Präsident Macron an, die Tür für einen europäischen nuklearen Schutzschild zu öffnen – und brach damit den Geist genau jenes Vertrags.

Die Normalisierung von Atomwaffen und die Schwächung der internationalen Sicherheitsarchitektur sind ein Schritt in die falsche Richtung – insbesondere in einer Zeit, in der das Risiko eines Atomkriegs so hoch ist wie nie zuvor. Alle Staaten sollten internationale Normen gegen Atomwaffen stärken – nicht schwächen. Wenn europäische Staaten ihre Haltung gegenüber Atomwaffen aufweichen, welches Signal senden sie dann an den Rest der Welt? Und wie können sie glaubwürdig die nukleare Machtdemonstration Russlands oder anderer Staaten kritisieren, während sie selbst ähnliche Schritte erwägen?

Europäische Staaten sollten besonnene Entscheidungen treffen, statt in Panik zu verfallen

Im Jahr des 80. Gedenkens an die Tragödien von Hiroshima und Nagasaki erleben wir eine Debatte, die viel zu schnell geführt wird, Gegenstimmen ignoriert und die Kettenreaktion von Entscheidungen außer Acht lässt: Gegenreaktionen anderer Staaten, den Zusammenbruch unseres nuklearen Regimes, nukleare Verbreitung und das Ende des seit 1945 bestehenden nuklearen Tabus. Gerade angesichts der herausfordernden Lage und hohen Spannungen sollten alle Staaten besonnene Schritte unternehmen, anstatt in Panik zu verfallen.

Diese Schritte erfordern starke Führung, Mut und Konsequenz. 800 europäische Städte sowie die europäischen Staaten Malta, Österreich, Irland, San Marino, Liechtenstein und der Heilige Stuhl haben bereits eine prinzipientreue Haltung eingenommen, indem sie den Vertrag über das Verbot von Atomwaffen (AVV) unterstützt haben. Der AVV trat 2021 in Kraft, wird derzeit von 94 Staaten unterstützt und verbietet jeglichen Umgang mit Atomwaffen. Dazu gehört auch die implizite und explizite Drohung mit ihrem Einsatz, die unsere kollektive Sicherheit direkt betrifft.

Wir begrüßen daher die Arbeit der Vertragsstaaten des AVV, die vom 3. bis 7. März 2025 ihre dritte Vertragsstaatenkonferenz bei den Vereinten Nationen abgehalten haben. Erstmals haben Staaten dort legitime Sicherheitsbedenken diskutiert, die sich aus der Existenz von Atomwaffen ergeben, und damit den Mythos der nuklearen Sicherheit in Frage gestellt.

Wir als europäische Zivilgesellschaft begrüßen diese Diskussionen und werden weiterhin unsere Regierungen zur Rechenschaft ziehen, auf die Einhaltung des Völkerrechts drängen und uns für die Wahrung der Menschenrechte sowie eine sichere und gerechte Welt für alle Menschen einsetzen. Es ist unser gemeinsamer Auftrag, alle europäischen Staaten dazu zu bewegen, sich mit dem AVV auseinanderzusetzen und ihm beizutreten – anstatt sich ihrer Verantwortung zu entziehen.

Unterzeichnende Organisationen

Acronym Institute for Disarmament Diplomacy (United Kingdom)

Alianza por el Desarme Nuclear (Spain)

Beati i costruttori di pace (Italy)

Forbyd Atomvåben – ICAN in Denmark 

Friedenswerkstatt Mutlangen (Germany)

ICAN Austria – Kampagne zur Abschaffung von Nuklearwaffen (Österreich)

ICAN France

ICAN Finland

ICAN Germany

ICAN Norway 

IPPNW Finland

IPPNW Germany

IPPNW Greece

IPPNW Norway 

ICBUW (Germany)

Medact U.K  (United Kingdom)

Medact Scotland 

Nature Friends Greece 

Nei Til Atomvåpen (Norway)

Norwegian People’s Aid (Norway)

NVMP Netherlands

Ohne Rüstung Leben (Germany)

Pax Christi Vlaanderen (Belgium)

PAX for Peace (Netherland )

Peace Union of Finland

Physicians for Social Responsibility (Finland)

Rete italiana Pace e Disarmo (Italy)

Secure Scotland 

Swedish Physicians against Nuclear Weapons

Swedish Peace and Arbitration Society

Technology for Life Finland 

Trident Ploughshares (United Kingdom)

UK/Ireland Nuclear Free Local Authorities

Vrede vzw (Belgium)

World Without Wars and Violence (Greece)