Atomare Lücken – Ein Kommentar zum Film Oppenheimer

In Oppenheimer erzählt Starregisseur Christopher Nolan von den Anfängen des atomaren Zeitalters und dem Werdegang des „Vaters der Atombombe“. Doch der Film über den Leiter des Manhatten-Projekts, J. Robert Oppenheimer, lässt viele Lücken offen.

Zwar ist Nolan ein visuell beeindruckender Film gelungen, der die Geheimnisse des Manhattan Projects und die heiklen Entwicklungen in Los Alamos eindrucksvoll einfängt. Ohne die Geschichten der Betroffenen von Atomwaffen zu würdigen, versäumt er es jedoch, ein vollständiges und ausgewogenes Bild der historischen Ereignisse zu zeichnen.

Jede Murmel eine Geschichte

Bevor im Film die erste Atomwaffe der Welt gebaut ist, füllt Robert Oppenheimer, gespielt von Cilian Murphy, nach und nach ein Fischglas mit Murmeln. Das große Glas soll verdeutlichen, welche Unmengen an Uran und Plutonium für den Bau der Bombe benötigt werden.

Was dem Publikum nicht gezeigt wird: Hinter jeder dieser Murmeln stehen unzählige Geschichten von oftmals indigenen Menschen, die unter dem Uranabbau in Ländern wie Kanada, Australien oder Namibia gelitten haben.

Auch unerwähnt bleiben die Stimmen der Menschen, die für den Bau von Los Alamos vertrieben wurden. Stattdessen lässt Nolan seinen Hauptcharakter in mehreren Szenen romantisch durch die scheinbar menschenleere Wüste New Mexicos reiten.

Unerwähnt bleiben zudem die Betroffenen des ersten Atomtests „Trinity“ und der tausenden atomaren Tests, die danach über dem Globus verteilt stattfanden. Nicht einmal die hunderttausenden Opfer von Hiroshima und Nagasaki erhalten in Oppenheimer eine Stimme.

Statt zu zeigen, welche Auswirkungen diese Massenvernichtungswaffen haben, welchen Terror sie in die Welt bringen, bleibt der Film hinsichtlich der Konsequenzen von Atombomben nebulös. Oppenheimer wagt es nicht, einen realistischen Blick auf die nukleare Bedrohung zu werfen.

Ein Film über die Bombe – ohne die Betroffenen

So bildgewaltig der Film auch sein mag, verpasst Oppenheimer viele Chancen. Er hätte darstellen können, wie die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki keine Notwendigkeit waren. Er hätte dem Publikum verdeutlichen können, welches Leid Atomwaffen in ihrer Entwicklung, Produktion und Verwendung brachten – und noch immer bringen. Und er hätte aufzeigen können, dass es einen Plan gibt, die Welt für immer von Atomwaffen zu befreien.

Ein Kommentar von Sebastian Niemetz