Von Anila Fischer
Es ist die letzte Woche der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag (NVV) – vier intensive Wochen Verhandlungen gehen zu Ende. Doch mit welchem Ergebnis? Das ist die Frage, die alle Teilnehmenden in diesen Tagen umtreibt. Wird es den Delegierten gelingen, im Konsens ein Abschlussdokument zu verabschieden? Oder werden die Verhandlungen scheitern, so wie bereits bei der letzten Konferenz 2015? Niemand hat eine Antwort auf diese Frage, alles scheint ungewiss. Einzig sicher ist: Es wird eine harte letzte Verhandlungswoche.
Am Montag finden die letzten öffentlichen Verhandlungen statt, an denen wir als Zivilgesellschaft teilnehmen dürfen. Es tagt das Hauptkomitee II zum Thema Nichtverbreitung von Atomwaffen (zur Erinnerung: Die Hauptkomitees bilden die drei Säulen des NVV ab – Abrüstung, nukleare Nichtverbreitung und zivile Nutzen von nuklearer Energie). Schnell wird deutlich, dass die Vertragsstaaten hier heute keine Einigung finden werden. Im Zentrum der Diskussion stehen vor allem die erschreckenden Ereignisse und Kampfhandlungen am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Aber auch das Militärprojekt AUKUS, das USA, Australien und die UK gemeinsam aufgesetzt haben, sowie die Etablierung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten sind scheinbar unüberwindbare Konfliktpunkte. Südafrika betont immer wieder, dass es wichtig ist, den 2017 verabschiedeten Atomwaffenverbotsvertrag als neues Instrument für nukleare Abrüstung im Abschlussdokument zu begrüßen, doch die anderen Vertragsstaaten gehen auf diesen Punkt kaum ein.
Das vorläufige Highlight der Woche erleben wir im anschließenden Plenartreffen. Dort verliest Costa Ricas Botschafterin Maritza Chan ein starkes Statement von insgesamt 147 Vertragsstaaten. Dieses stellt klar, dass die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen im Zentrum jeder Diskussion stehen müssen. Das Statement bringt auf den Punkt, warum ernsthafte Fortschritte für nukleare Abrüstung so wichtig sind: „It is in the interest of the very survival of humanity that nuclear weapons are never used again!“. Doch Deutschland und die meisten NATO-Staaten schließen sich dem Statement nicht an. Diese Enthaltung der Bundesregierung ist nur schwer zu nachzuvollziehen und für uns eine bittere Enttäuschung.
Die restliche Woche finden alle Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und größtenteils informell statt. Die Entwürfe eines möglichen Abschlussdokuments, die kursieren, lassen nichts Gutes erahnen. Es sind weichgespülte und unkonkrete Texte, die keinerlei ernsthafte und überprüfbare Maßnahmen zu nuklearer Abrüstung vorsehen. Wichtige Passagen zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen wurden im Vergleich zu früheren Entwürfen abgeschwächt. Es ist nicht einmal klar, ob der Atomwaffenverbotsvertrag in einem möglichen Abschlussdokument weiterhin erwähnt werden soll. Damit wird deutlich: Mit oder ohne Ergebnis wird diese Konferenz keinerlei Fortschritte für nukleare Abrüstung bringen.
Am Freitag, dem letzten von insgesamt 20 Verhandlungstagen, erreicht die Spannung ihren Höhepunkt. Die Diskussionen scheinen sehr schwerfällig zu laufen, denn die Abschlusssitzung wird immer wieder nach hinten verschoben. Als der Präsident der Konferenz, der argentinische Botschafter Gustavo Zlauvinen, endlich die Sitzung eröffnet, wirkt er angespannt, übernächtigt und bereits schwer enttäuscht. Die Gerüchteküche sagt: Es wird kein Abschlussdokument geben.
Genau so kommt es dann auch. Russland blockiert und verhindert damit eine Einigung. Die Delegation argumentiert, dass sie insgesamt fünf Passagen u.a. zu den Kampfhandlungen in Saporischschja nicht mitzutragen könne. Damit sind die Verhandlungen offiziell gescheitert.
Vier Wochen Verhandlungen, vier Wochen harte Arbeit von Diplomat*innen, Wissenschaftler*innen und zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen. Und am Ende: Kein Ergebnis. Zum zweiten Mal in Folge.
Viele Staaten bringen in ihren abschließenden Statements ihre Enttäuschung deutlich zum Ausdruck. Was war die ganze Arbeit und Zeit wert, die in die Verhandlungen geflossen ist? Die Frage zur Abrüstung von Atomwaffen ist dringend wie nie, doch es gibt keine brauchbaren Ergebnisse. Welchen Sinn hat diese Konferenz, wenn sich die die Mitgliedsstaaten auf keinerlei Maßnahmen einigen können und damit den Weg zu nuklearer Abrüstung im Rahmen des Vertrags faktisch blockieren? Wenn ein Staat allein die Kompromisse einer ganzen Konferenz ablehnen kann?
Auf die aktuelle nukleare Bedrohung, die so hoch ist wie seit dem Kalten Krieg nicht, konnte diese Konferenz jedenfalls keine Antwort geben.