In Gronau haben rund 300 Menschen am Ostermarsch 2019 teilgenommen. Foto: Hanna Poddig

„Es ist zwei vor zwölf“

ICAN war auf dem Ostermarsch in Gronau mit einer Rede vertreten. Dort steht die bundesweit einzige Urananreicherungsanlage. Sie ist technisch in der Lage, atomwaffenfähiges Material herzustellen.

Die Rede von Felix Werdermann aus dem Vorstand von ICAN Deutschland:

 

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine friedliche Welt!

Oft werden wir gefragt: Haben sich die Ostermärsche nicht totgelaufen?

Vielleicht sollten wir auf die Anfänge zurückblicken, damals ging es um Protest gegen die atomare Aufrüstung. Und dann sollten wir auf die Situation heute schauen: Die Atomkriegsgefahr ist so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die symbolische Weltuntergangsuhr, die jedes Jahr von Wissenschaftlern neu justiert wird, steht weiterhin auf zwei Minuten vor zwölf!

Man denke bloß an die Konflikte zwischen USA, Russland, Nordkorea; an das Aufkündigen von Iran-Abkommen und INF-Vertrag. Aber auch Deutschland ist am atomaren Wettrüsten beteiligt:

Im rheinland-pfälzischen Büchel sind US-Atombomben gelagert, Bundeswehr-Soldaten trainieren regelmäßig den Abwurf und damit den Massenmord an unschuldigen Zivilisten.

Die Bundesregierung boykottiert das UN-Atomwaffenverbot, das 122 Staaten vor knapp zwei Jahren beschlossen haben. Damit schlägt sich die Regierung auf die Seite von Donald Trump, Wladimir Putin und Kim Jong Un.

Jetzt will das Verteidigungsministerium sogar neue Kampfjets für den Transport modernisierter Atomwaffen kaufen – gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit, dafür mit Milliarden an Steuergeldern.

Und hier in Gronau läuft noch immer die Urananreicherungsanlage – nach dem Gesetz bis in alle Ewigkeit. Die Technologie der Anlage ist geeignet, um atomwaffenfähiges Material herzustellen. Wer kann ausschließen, dass das technische Know-how entwendet wird? Der Betrieb der Anlage ist daher ein echtes Proliferationsrisiko.

Wir von ICAN Deutschland haben unsere Bedenken auch dem Umweltausschuss des Bundestags mitgeteilt und das hat die Atomlobby offenbar auf die Palme gebracht: Kurz danach ging beim Bundestag ein Schreiben vom sogenannten Uran-Institut ein, in dem unsere Stellungnahme als ‚völlig absurd‘ bezeichnet wird und falsche Tatsachen über uns behauptet werden. ICAN-Direktorin Beatrice Fihn habe sich angeblich von unserer Stellungnahme distanziert, was nachweislich nicht stimmt.

Durch taz-Recherchen ist inzwischen herausgekommen: Höchstwahrscheinlich existiert nicht einmal der angebliche Verfasser dieses Briefes. Es ist ein Brief vom Atom-Phantom! Das Parlament und die Öffentlichkeit wurden offenbar bewusst getäuscht.

Vieles spricht dafür, dass das Schreiben in Wirklichkeit von einem Ex-Urenco-Mitarbeiter stammt und er uns mit falschen Tatsachenbehauptungen diskreditieren wollte. Wir haben daher in dieser Woche Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt.

Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass die Anlage hier in Gronau geschlossen wird. Wenn Deutschland als erste große Industrienation freiwillig auf die Urananreicherung verzichtet, wäre dies ein bedeutendes friedens- und abrüstungspolitisches Zeichen: Wir erteilen dieser Technologie und der Option der Atomwaffenherstellung eine klare Absage.
Dafür kämpfen wir. Vielen Dank!