Schließt Schleswig-Holstein Finanzanlagen in Atomwaffen künftig aus?
In Schleswig-Holstein wird derzeit darüber diskutiert, die Finanzanlagestrategie des Landes nachhaltig zu gestalten und dazu verbindliche gesetzliche Regelungen einzuführen. Doch der vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung ist in seiner derzeitigen Form noch lückenhaft. Er schließt weder Investitionen in Atomwaffenstaaten wirksam aus, noch in Unternehmen, die mit Atomwaffen Geld verdienen. Am 3. Juni findet eine Anhörung im Finanz- und Wirtschaftsausschuss des Landtags zum Thema statt.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat bereits im Oktober 2020 den zur Debatte stehenden Gesetzentwurf zur Regelung einer nachhaltigen Finanzanlagestrategie vorgelegt. Auch ICAN Deutschland hat diesen Gesetzentwurf in einer schriftlichen Stellungnahme an den Finanzausschuss kommentiert.
Dem bisherigen Gesetzentwurf zufolge sollen künftig einheitliche ökologische, soziale und ethische Kriterien (sog. ESG-Kriterien) bei der Auswahlentscheidung über Finanzanlagen des Landes gelten. Dies soll branchenübergreifend Anreize zu mehr Nachhaltigkeit schaffen und insgesamt eine nachhaltige Entwicklung fördern. Grundsätzlich ist das ein begrüßenswertes Ziel.
Nach dem Gesetzentwurf soll ein zweistufiger Ansatz zu mehr Nachhaltigkeit führen. Zunächst sollen Finanzanlagen in bestimmten Bereichen durch eine Negativliste ausgeschlossen werden. Die konkrete Anlageentscheidung soll dann in einem weiteren Schritt nach einem Best-in-Class-Ansatz erfolgen, um die nach Umwelt-, Sozial- und Ethikstandards führenden Finanzanlageprodukte zu finden.
Allerdings ist die Kombination von (harten) Ausschlusskriterien und (weichen) Auswahlkriterien durchaus kritisch zu betrachten. Durch den gewählten Best-in-Class-Ansatz kann nicht sichergestellt werden, dass Gelder künftig ausschließlich in nachhaltige Anlagen fließen. Dies liegt vor allem daran, dass sich unter den nach ESG-Kriterien führenden Anlagemöglichkeiten viele Optionen befinden, die bei genauerer Betrachtung gar nicht nachhaltig sind, sondern nur ein im Branchenvergleich geringeres Übel darstellen. Das hat zur Folge, dass weiterhin Gelder für eine nachhaltige, u.a. dekarbonisierte, Wirtschaft zur Verfügung stehen und beispielsweise weiterhin in „schmutzige“ Branchen fließen können – trotz des vielerorts und auch in Kiel beschlossenen Klimanotstands.
Darüber hinaus hat der Gesetzentwurf der Landesregierung in seiner bisherigen Form gravierende Lücken beim Ausschluss bestimmter, besonders kontroverser Finanzanlagen. Nach den derzeitigen Ausschlusskriterien wäre beispielsweise weiterhin der Kauf von Finanzprodukten von Staaten (i.d.R. Staatsanleihen), die über Atomwaffen verfügen, möglich. Kapital des Landes Schleswig-Holstein könnte also über den Staatshaushalt von Atomwaffenstaaten auch für Atomwaffenprogramme verwendet werden.
Die Regelungen zu Investitionen in Unternehmen, die an der Herstellung von Atomwaffen beteiligt sind, greifen ebenfalls zu kurz. Durch die Verwendung von zu engen und unklaren Formulierungen im Gesetzentwurf besteht die Gefahr, dass Regelungen in der Praxis ins Leere laufen bzw. nicht eindeutig und zweifelsfrei festgelegt werden kann, welche Unternehmen tatsächlich von Investitionen ausgeschlossen werden. Ohne Nachbesserung könnte sich das Gesetz hier als zahnloser Tiger herausstellen.
Am 03. Juni findet die mündliche Anhörung zur „Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit“ im Schleswig-Holsteinischem Landtag statt. ICAN Deutschland wurde dazu eingeladen und wird vor Ort vertreten sein.
Unsere Vorschläge zur Änderung des bisherigen Gesetzentwurfs sind dabei klar:
- Mit Blick auf den Erwerb von Finanzanlagen von Staaten ist eine explizite Regelung notwendig, die den Erwerb von Finanzanlagen von Atomwaffenstaaten grundsätzlich und ohne Ausnahme ausschließt.
- Es ist eine Regelung anzustreben, welche die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen stärkt.
- Der Ausschluss des Erwerbs von Finanzanlagen von Unternehmen mit Bezug zu kontroversen Waffen ist wesentlich klarer und weitgehender zu fassen.
Der schleswig-holsteinische Landtag kann mit einem Gesetz zur Regelung der Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit“ einen Präzedenzfall für ökologisches, soziales und ethisches Investieren auf staatlicher Ebene schaffen. Die Abgeordneten müssen dabei entscheiden, ob sie mit dem Gesetz strenge und handhabbare Regelungen einhergehen, die effektiv zu einer Nachhaltigkeitswende beitragen. Oder – im Falle von zu laxen gesetzlichen Rahmenbedingungen – Möglichkeiten für Staaten und Unternehmen schaffen, sich nachhaltiger zu geben als sie tatsächlich sind.