UN-Gebäude in New York. Foto: Ralf Schlesener

Eindrücke von der NVV-Überprüfungskonferenz: Woche 3

von Xanthe Hall

Die Verhandlungen während der NVV-Überprüfungskonferenz in New York wurden diese Woche weiterhin vom Ukrainekrieg überschattet. Während unter anderem der UN-Generalsekretär versuchte Saporischschja, das größte Atomkraftwerk Europas, zu retten und ein nukleares Desaster zu verhindern, tauschten die Kontrahenten bei der Überprüfungskonferenz weiterhin Rhetorik aus. Der UN-Botschafter von Russland klagte über „grundlose und aggressive“ Bemerkungen zum Ukrainekrieg und russischen Besetzung des AKWs.

Russland äußerte sich besorgt über „Kampagnen zur Dämonisierung von Gegnern“ und hielt die Verurteilung seiner aggressiven Nuklearrhetorik für heuchlerisch angesichts der Unterstützung einiger Staaten für die Stationierung von Atomwaffen in Europa – ein Schritt, den Russland als „viel beunruhigender“ als seine nuklearen Drohungen bezeichnete. Dies solle das endgültige Ergebnisdokument widerspiegeln, so der Botschafter. Das Sicherheitskonzept der NATO sei beängstigender als das, was andere als „gefährliche Rhetorik“ bezeichnen. Gleichzeitig ist Russland gegen eine Erwähnung des Budapester Memorandums im Abschlussdokument. Der Botschafter von Kiribati wiederum erinnerte in seiner einmaligen Art die Vertragsstaaten daran, dass wir alle Menschen sind, und lud mit den Worten „der Pazifik ist gut für Euch“ ein, die nächste Überprüfungskonferenz auf seiner schönen Inseln stattfinden zu lassen.

Anfang der Woche wurden neue Forschungsergebnisse zu den Folgen eines „begrenzten“ Atomkrieges auf das Klima und die Landwirtschaft veröffentlicht. Lili Xia, Alan Robock und andere Wissenschaftler*innen modellierten Szenarien verschiedener Atomwaffeneinsätze, die sich durch die Anzahl und die Sprengkraft unterscheiden. Das Fazit ist erschreckend: es droht eine globale Hungersnot mit bis zu zwei Milliarden Opfern, in einem großen Atomkrieg zwischen den USA und Russland sogar bis zu fünf Milliarden.

Diese Woche lagen außerdem die ersten Entwürfe der Berichte aus den Ausschüssen vor, die die inhaltlichen Grundlagen für die Verhandlungen sind. Am meisten interessiert uns das Hauptkomitee 1 und sein nachgeordnetes Organ, das sogenannte Subsidiary Body 1. Dort wird das Thema der nuklearen Abrüstung verhandelt. Am Ende der Woche wurden die Entwürfe dieser beiden Organe in einer geänderten Version zusammengetragen und dem Vorsitz überreicht. Allerdings gibt es bisher keine Einigung der Vertragsstaaten über die Inhalte.

Die neue Version ist mehr als enttäuschend: keine konkreten und messbaren Schritte zur Verringerung der Einsatzbereitschaft, Reduzierung der Risiken oder der Rolle von Kernwaffen; kein Aufruf, die Modernisierungsprogramme der Atomwaffenarsenale einzustellen oder die Verhandlungen zur Abschaffung von Atomwaffen aufzunehmen. Diese fehlen jetzt, obwohl sie im ersten Entwurf noch enthalten waren. Es gibt weder Zeitvorgaben noch Benchmarks mit Ausnahme einer Frist für die Erneuerung des neuen START-Vertrages vor seinem Auslaufen im Jahr 2026. Es gibt zudem keine Forderungen nach einem Stopp der qualitativen oder quantitativen Weiterentwicklung von Atomwaffen. Der Hinweis auf die Verantwortung, die den Staaten in Nuklearbündnissen obliegt, die Rolle von Kernwaffen in den Nukleardoktrinen zu reduzieren, wurde gestrichen. Die wenigen Stellen, an denen das Wort „messbar“ erscheint, missfielen Frankreich und dem Vereinigten Großbritannien, die daher die Streichung forderten.

Die Atomwaffenstaaten beanstandeten nicht nur jegliche Beschreibung humanitärer Folgen von Atomwaffen, sondern selbst den wohlwollenden sachlichen Verweis auf den Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen (AVV). Frankreich und das Vereinigte Königreich akzeptierten die Behauptung nicht, dass es bei der Umsetzung von Artikel VI keine Fortschritte gäbe, was auch auf Zustimmung Russlands traf. Schade, dass dies das einzige ist, worauf man sich im Moment einigen kann.

Österreich brachte die eigene Enttäuschung, dass die Atomwaffenstaaten nicht bereit sind, sich auf „konkrete, messbare Schritte“ zu einigen, deutlich zum Ausdruck. Australien erklärte, dass die Risikominderung kein Ersatz für konkrete Maßnahmen zur Erfüllung von Abrüstungsverpflichtungen sei.

Der Botschafter Mexikos verlas eine Erklärung im Namen der AVV-Staaten, in der sie mitteilen ließen, dass sie „bedauern und tief besorgt sind, dass trotz der schrecklichen Risiken und trotz ihrer rechtlichen Verpflichtungen und politischen Zusagen zur Abrüstung keiner der atomar bewaffneten Staaten und ihrer Verbündeten unter dem nuklearen Schirm ernsthafte Schritte unternimmt, um ihre Abhängigkeit von Atomwaffen zu verringern.“ Er rief alle Staaten auf, sich dem AVV anzuschließen.

Die einzigen Staaten, die mit dem aktuellen Entwurf scheinbar zufrieden sind, sind die Atomwaffenstaaten-treuen Länder wie Deutschland und Schweden. Sie begrüßten den Entwurf als guten „Mittelweg“. Aber der Weg ist weder gut noch mittig, wenn eine überwiegende Mehrheit dagegen ist und nur eine Handvoll dafür. Diese Schieflage kennen wir seit Jahren und erleben sie jetzt leider wieder.

Am Montagnachmittag wird die Konferenz ihre Arbeit wieder aufnehmen und der Vorsitzende wird einen konsolidierten Bericht vorlegen, der ab Dienstag geprüft wird. Phil Twyford, Abrüstungsminister Neuseelands, sagte diese Woche im Fernsehen, dass die AVV-Staaten hart verhandeln und ihre Mehrheit nutzen müssen, um Druck auf die Atomwaffenstaaten und ihre Bündnispartner auszuüben. „Nichts wird vereinbart, bis es über alles eine Einigung gibt“, heißt es immer in der Diplomatie. Was können und wollen wir nächste Woche erwarten?

Die Erwartungen sind relativ niedrig. Das Minimum, das ICAN fordert, sind ein Zeitplan und messbare Benchmarks für die Umsetzung jeglicher vereinbarten Versprechen über nukleare Abrüstung wie beispielsweise Reduzierungen und die Rolle von Atomwaffen in den Doktrinen. Bloße Berichte reichen nicht mehr.

Zudem sollte die Konferenz alle nuklearen Drohungen, ob direkt oder indirekt, unter allen Umständen verurteilen. Die Drohungen dürfen nicht relativiert werden oder in „verantwortliche“ und „unverantwortliche“ Drohungen kategorisiert werden. Ein gutes Beispiel ist die Formulierung in der Wiener Erklärung der AVV-Staaten.

Ein Schlussdokument sollte die Risiken und katastrophalen humanitären Folgen von Atomwaffen als Grundlage und Motivation für die nukleare Abrüstung anerkennen. Kasachstan und Kiribati schlagen auch vor, dass die Betroffenenhilfe und Umweltsanierung im Dokument erwähnt werden.

Worüber sich die Staaten wahrscheinlich einig werden, ist das Datum der nächsten Überprüfungskonferenz. Die Diskussion hat schon begonnen und ich würde mein Geld auf 2026 als nächsten Termin setzen, aber ich glaube nicht, dass die internationale Gemeinschaft der Einladung nach Kiribati folgen wird.