Foto Credit: ICAN, Jeenah Moon

Eindrücke von der NVV-Überprüfungskonferenz: Woche 2

von Florian Eblenkamp

Die zweite Woche der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag (NVV) in New York ist vor allem von der Arbeit in den main committees geprägt. Zu jeder Säule des NVV (Abrüstung, Nichtverbreitung, zivile Nutzen von nuklearer Energie) gibt es solche committees, im Rahmen derer im Detail verhandelt wird, wie sich die Vertragsstaaten positionieren. Alle drei main committees tagen parallel. Sie werden nochmal heruntergebrochen in sogenannte subsidiary bodies. Die Treffen dieser subsidiary bodies sind jedoch leider grundsätzlich nicht für die Zivilgesellschaft geöffnet, sondern finden hinter verschlossenen Türen statt. Für uns bleibt also nur die Option, in möglichst vielen bilateralen Gesprächen mit Diplomat*innen einzelne Informationen in Erfahrung zu bringen. Daher ist es momentan noch sehr schwierig abzuschätzen, wohin die Reise bei der diesjährigen Konferenz gehen könnte.

Grundsätzlich geht es aber um drei große Fragen, die ICAN für besonders wichtig hält:

Erstens ist noch nicht klar, ob und wie der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) im Abschlussdokument gewürdigt werden kann. Wir sind aber optimistisch, dass die Vertragsstaaten des NVV den AVV als faktisch gültigen Vertrag anerkennen und ihn möglicherweise sogar als Beitrag zu den Abrüstungs- und Nichtverbreitungsverpflichtungen des NVV ansehen. Als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft versuchen wir, die Delegationen davon zu überzeugen sowie klar zu machen, dass beide Verträge miteinander kompatibel sind und sich in vielen Punkten sehr gut ergänzen. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass sich eine Überprüfungskonferenz an eine veränderte rechtliche Situation anpassen kann und die durch den AVV geschaffene neue Realität zumindest faktisch anerkennt.

Ein zweiter, wichtiger Aspekt wird sein, in welcher Form die atomaren Drohungen Russlands verurteilt werden. Da Russland selbst einer solchen Verurteilung zustimmen müsste, ist nur mit einem sehr generellen Statement zu rechnen, welches sich nicht auf den konkreten Kontext des Kriegs in der Ukraine bezieht. Gleichzeitig haben aber auch die anderen Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten Vorbehalte gegen eine solche Verurteilung, denn das von ihnen mitgetragene Konzept der nuklearen Abschreckung stellt letztlich auch nichts anderes als eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen dar. Leider sind die Verhandlungen zu diesem Thema sehr schwierig und nehmen teilweise groteske Züge an. Zum Beispiel gab es den Versuch, Drohungen nicht per se zu diskreditieren, sondern nur angebliche „verantwortungslose “ Drohungen. Ganz so, als ob es auf irgendeine Art „verantwortungsvolle“ Drohungen gäbe. Wir setzen uns natürlich dafür ein, dass jegliche Form eines Gebrauchs von Atomwaffen verantwortungslos ist, und damit auch jegliche Form von nuklearen Drohungen. Eine „verantwortungsvolle“ Drohung mit Atomwaffen kann es nicht geben.

Und das bringt mich zum dritten Punkt. Für ICAN ist wichtig, dass die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen berücksichtigt werden und als Ausgangspunkt für Abrüstungsdiskussionen gelten. Nur dann ist die vollständige weltweite und irreversible nukleare Abrüstung realistisch. Diesen Punkt betreffend sind wir einigermaßen optimistisch: Viele Staaten haben sich in ihren Statements auf die humanitären Konsequenzen von Atomwaffen bezogen und damit die Voraussetzungen geschaffen, diese auch in der Schlusserklärung prominent zu platzieren. Costa Rica und Österreich, beides Vertragsstaaten sowohl des NVV als auch des AVV, haben dazu ein Statement verfasst. Dieses muss jetzt von möglichst vielen Staaten unterstützt werden, damit die Abschlusserklärung diesen für uns so zentralen Punkt nicht einfach übergehen kann.

Alle drei Punkte zusammen verdeutlichen, warum der NVV in den letzten Jahrzehnten so wenig Fortschritt erreicht hat. Selbst die grundsätzlichsten Fakten werden leider immer wieder in Frage gestellt, um einerseits die eigene Abhängigkeit von Atomwaffen nicht in Frage stellen zu müssen oder einfach nur, um eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Das politische Signal, das von dieser Konferenz ausgeht, sollte daher sehr genau betrachtet werden. In Zeiten eines durch Atomwaffen ermöglichten Angriffskrieges ist die Wichtigkeit einer solchen Konferenz kaum messbar. Als Zivilgesellschaft wollen wir versuchen, einen kleinen Teil dazu beizutragen, dass sie ein Erfolg wird.