2MSP: Bericht der Wissenschaftlichen Beratungsgruppe

Zusammenfassung des Berichts der Wissenschaftlichen Beratungsgruppe über den Status von und die Entwicklungen in Bezug auf Kernwaffen, die mit Kernwaffen verbundenen Risiken, die humanitären Folgen von Kernwaffen, die nukleare Abrüstung und damit zusammenhängende Fragen

Das gesamte Dokument findet ihr hier: https://www.un.org/depts/german/friesi/TPNW-MSP2023-8.pdf

Einleitung

Auf dem ersten Treffen der Vertragsstaaten des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen (abgekürzt AVV; englisch Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, abgekürzt TPNW) wurde eine Wissenschaftliche Beratungsgruppe eingerichtet, deren Mitglieder vom Präsidenten des zweiten Treffens ernannt wurden. Die Amtszeit dieser Gruppe begann am 8. Februar 2023 und endet am letzten Tag der ersten Überprüfungskonferenz des Vertrags. Die Einrichtung der Gruppe erfolgte auf der Grundlage eines Mandats, das das Ziel, den Hintergrund und den Aufgabenbereich der Gruppe detailliert beschreibt. Die Mitglieder der Gruppe sind unabhängige Expertinnen und Experten, die in ihrer Eigenschaft als Privatpersonen tätig sind.

Im Jahr 2023 fanden regelmäßige Treffen der Wissenschaftlichen Beratungsgruppe statt. Sie übermittelt hiermit einen Bericht über den Status und die Entwicklungen in Bezug auf Kernwaffen, die damit verbundenen Risiken, die humanitären Folgen von Kernwaffen, die nukleare Abrüstung und verwandte Fragen. Der Bericht basiert auf öffentlich zugänglichem, publiziertem Material und dem Fachwissen der Gruppe.

Status von Kernwaffen

Die Atomwaffenstaaten haben ihre Waffenbestände teilweise erweitert, indem sie neue Waffen oder neue Wirkungsmöglichkeiten hinzufügten. Anfang 2023 befanden sich weltweit schätzungsweise 12.500 atomare Gefechtsköpfe im Bestand, einschließlich etwa 3.000 ausgemusterter Gefechtsköpfe, die auf ihre Zerlegung warteten. Die meisten Waffen waren nicht stationiert und nicht einsatzbereit, mit den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation, die zusammen etwa 90 Prozent aller Gefechtsköpfe besaßen. Während die USA und Frankreich ihre militärischen Kernwaffenbestände reduzierten, wurden die Bestände aller anderen Staaten höher eingeschätzt.

Waffenbestände

Die nuklear bewaffneten Staaten erweitern oder modernisieren ihre Bestände durch Hinzufügung neuer Waffen oder neuer Wirkungsmöglichkeiten. Weltweit beläuft sich die Zahl der atomaren Gefechtsköpfe, einschließlich der ausgemusterten, die auf ihre Zerlegung warten, auf schätzungsweise 12.500. Der Großteil dieser Waffen befindet sich in Lagern und ist nicht einsatzbereit. Die USA und Russland halten etwa 90 Prozent aller Gefechtsköpfe. Seit der Veröffentlichung des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen haben lediglich die USA und Frankreich ihre Bestände reduziert, während die Bestände anderer Staaten gestiegen sind.

Modernisierung

Sämtliche nuklear bewaffneten Staaten befinden sich in einem Prozess der Modernisierung ihrer Kernwaffenarsenale und Trägersysteme. Diese Projekte reichen von der Erneuerung existierender Systeme bis zur Entwicklung neuer Waffentypen und Trägersysteme, mit Lebensdauern, die sich in einigen Fällen auf über 50 Jahre erstrecken.

Aufnahmestaaten für Kernwaffen und andere Staaten

Neben den neun nuklear bewaffneten Staaten gibt es auch sogenannte Aufnahmestaaten für Kernwaffen. In einigen NATO-Ländern wie Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden und Türkiye sind US-Kernwaffen stationiert. Diese Staaten haben ihre Luftfahrzeuge, die für Kernwaffeneinsätze vorgesehen sind, kürzlich modernisiert. Darüber hinaus erhalten mehrere Länder Sicherheitsgarantien von nuklear bewaffneten Staaten, was die Zahl der indirekt von Kernwaffen abhängigen Staaten erhöht.

Lagerbestände an Spaltmaterial

Bei Plutonium und hochangereichertem Uran, den primären Materialien für Kernwaffen, handelt es sich um kritische Komponenten für die Aufrechterhaltung der nuklearen Abschreckung. Die globalen Bestände dieser Materialien sind groß genug, um die bestehenden Waffenarsenale signifikant zu erweitern. Die Transparenz in Bezug auf die Bestände an militärischem Spaltmaterial variiert stark zwischen den Staaten, mit nur wenigen Ländern, die Informationen über ihre Bestände offenlegen.

Mit Kernwaffen verbundene Risiken

Die Gefahren, die von Kernwaffen ausgehen, umfassen das Risiko von Detonationen durch Unfälle, Fehleinschätzungen oder vorsätzliche Akte. Die Präambel des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen betont, dass diese Gefahren die Sicherheit der gesamten Menschheit betreffen und dass es die gemeinsame Verantwortung aller Staaten ist, jeden Einsatz von Kernwaffen zu verhindern.

Bewertung der von aktuellen Dispositiven ausgehenden Risiken

Seit der Entwicklung von Kernwaffen besteht das Risiko nuklearer Explosionen. Dieses Risiko wird durch die Strategie und die Streitkräftestruktur eines Staates beeinflusst. Strategien und Dispositive variieren von Staat zu Staat, und das Risiko kann sich in Kriegszeiten oder Krisensituationen erheblich erhöhen. Einige Strategien, wie die Stationierung von Kernwaffen in anderen Ländern oder die Bereitschaft zu einem Erstschlag, können das Risiko eines Einsatzes von Kernwaffen erhöhen.

Jüngste Androhungen von Kernwaffeneinsätzen

Die rhetorischen Androhungen des Einsatzes von Kernwaffen, wie zwischen den USA und der Demokratischen Volksrepublik Korea im Jahr 2017, sowie die Androhung und Erhöhung der Kampfbereitschaft der nuklearen Streitkräfte Russlands zu Beginn der Invasion der Ukraine 2022, haben die Besorgnis über die mögliche Realität eines Kernwaffenkonflikts verstärkt.

Risikoerwägungen

Das Risiko eines Kernwaffeneinsatzes lässt sich als Produkt der Auswirkungen und der Wahrscheinlichkeit seines Eintretens betrachten. In Zeiten geringer Konflikte mag die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes gering sein, aber die potenziellen Auswirkungen bleiben katastrophal. In Konflikten oder Perioden hoher Spannung steigt die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes, was das Risiko erheblich erhöht. Die Herausforderung besteht darin, die Folgen und Wahrscheinlichkeiten angesichts begrenzter Informationen richtig einzuschätzen und zu nutzen.

Humanitäre Folgen des Einsatzes von Kernwaffen sowie von Kernwaffenversuchen

Die katastrophalen humanitären Folgen eines jeden Einsatzes von Kernwaffen sowie das unannehmbare Leid und der entsprechende Schaden durch Kernwaffenversuche werden im Vertrag über das Verbot von Kernwaffen anerkannt. Besonders betont werden die unverhältnismäßigen Auswirkungen auf indigene Völker sowie auf Frauen und Mädchen und die potenziellen langfristigen Folgen für künftige Generationen.

Folgen des Einsatzes von Kernwaffen

Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 mit einer Explosionsenergie von 16 bzw. 21 Kilotonnen TNT-Äquivalent führten zur sofortigen Zerstörung der Städte, enormen Verlusten an Menschenleben und langfristigen Strahlungsfolgen für die Überlebenden. Moderne thermonukleare Waffen, die eine wesentlich höhere Sprengkraft besitzen, würden bei einem Einsatz in städtischen Gebieten druckwellenbedingte Schäden, Strahlenwirkungen und Feuerstürme verursachen, die sich über wesentlich größere Entfernungen erstrecken.

Studien zu den langfristigen Folgen ionisierender Strahlung basieren auf den Überlebenden der Bombenabwürfe in Japan und zeigen ein erhöhtes Risiko für Krebs und andere Erkrankungen. Darüber hinaus könnten umfassende Atomkriege unmittelbar Millionen von Opfern fordern, die medizinische Versorgung für die Verletzten unmöglich machen und durch den sogenannten „nuklearen Winter“ zu globalen Ernteausfällen und massenhaftem Hunger führen.

Folgen von Nuklearversuchen

Nuklearversuche haben zu einer weitreichenden Verteilung radioaktiven Niederschlags, zur Umweltkontaminierung und zur Gefährdung der menschlichen Gesundheit geführt. Zwischen 1945 und 2017 wurden insgesamt 2.056 Nuklearversuche durchgeführt, deren Gesamtsprengkraft auf etwa 510 Megatonnen TNT-Äquivalent geschätzt wird.

Die Notwendigkeit, die umfassenden Auswirkungen eines Atomkriegs auf die menschliche Gesellschaft, die Umwelt und natürliche Ökosysteme zu verstehen, wird durch jüngste Forschungen unterstrichen. Eine aktualisierte, globale wissenschaftliche Studie könnte neue Erkenntnisse zu den klimatischen, ökologischen, physischen und sozialen Folgen eines Atomkriegs liefern und damit die Grundlage für internationale Bemühungen zur Vermeidung eines solchen Szenarios stärken.

Nukleare Abrüstung und damit zusammenhängende Fragen

Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen bildet einen transformativen Rahmen, der das komplexe Gefüge internationaler und regionaler Bemühungen ergänzt, um eine kernwaffenfreie Welt zu verwirklichen. Er ermöglicht zusätzliche Schritte und Rechtsinstrumente für die gemeinsame, unumkehrbare, verifizierbare und transparente Eliminierung von Kernwaffen und Kernwaffenprogrammen.

Verifikation der Abrüstung

Artikel 4 des Vertrags skizziert Wege zur verifizierbaren Beseitigung von Kernwaffenprogrammen, inklusive des Rückbaus oder der dauerhaften Umwandlung kernwaffenbezogener Einrichtungen. Umfangreiche Forschungsarbeiten zur Verifikation der Abrüstung sind notwendig, insbesondere um neue Perspektiven zu bieten, die nicht durch Kernwaffeninstitutionen oder das Wettrüsten eingeschränkt sind. Die Entwicklung neuer Verifikationsansätze, die Geheimhaltung vermeiden und das Nichtvorhandensein von Kernwaffen bestätigen, wird untersucht.

Abrüstung und Sicherungsmaßnahmen

Gemäß Artikel 4 sollen Abkommen über Sicherungsmaßnahmen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) getroffen werden, um glaubwürdig zu gewährleisten, dass Kernmaterial nicht für nicht friedliche Zwecke verwendet wird. Während in vielen Nichtkernwaffenstaaten umfassende Sicherungsmaßnahmen und das Zusatzprotokoll in Kraft sind, haben einige nuklear bewaffnete Staaten nur begrenzte Sicherungsmaßnahmen vereinbart.

Verifikation über Kernmaterial hinaus

Die nukleare Abrüstung erfordert die Klärung politischer, rechtlicher, wissenschaftlicher, technischer und institutioneller Fragen. Ein abrüstender Staat müsste tiefgreifende Reformen nachweisen, die die Einhaltung der Vertragsprinzipien und -verbote demonstrieren, was konkrete Auswirkungen auf die Unumkehrbarkeit der Abrüstung hätte.

Erkenntnisse aus vergangenen Verifikationsinitiativen

Lehren aus früheren Verifikationsinitiativen, wie dem START-I-Vertrag, dem Neuen START-Vertrag und dem INF-Vertrag, sowie die Erfahrungen von Staaten, die auf Kernwaffen verzichtet haben, bieten wertvolle Erkenntnisse für die nukleare Abrüstung. Südafrikas Abrüstungsplan und die Erfahrungen von Kasachstan und der Ukraine liefern wichtige Erfolgsfaktoren für eine verifizierbare und unumkehrbare Abrüstung.

Abrüstung und Trägersysteme

Der Vertrag schließt die Beseitigung von Kernwaffen und ihren Trägersystemen ein, wobei die Bedeutung der Regulierung von Trägersystemen hervorgehoben wird. Die meisten bilateralen Kernwaffenkontrollverträge konzentrieren sich auf Trägersysteme, und die Abrüstung muss auch spezialisierte sowie dual einsetzbare Trägersysteme berücksichtigen.

Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen

Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Test Ban Treaty – CTBT) und sein Verifikationsregime spielen eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Verifikation von Kernwaffentests. Vertragsstaaten sollten die Möglichkeiten dieses Vertrags voll ausschöpfen, unter anderem durch Teilnahme an wissenschaftlichen Foren und Schulungen.

Diese Zusammenfassung hebt die Kernpunkte des sechsten Kapitels hervor, die sich auf die Herausforderungen und Fortschritte in der nuklearen Abrüstung, Verifikation und Sicherungsmaßnahmen konzentrieren, und unterstreicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Forschung und internationaler Zusammenarbeit.

Fazit

Dieser Bericht markiert den Auftakt der Bemühungen der Wissenschaftlichen Beratungsgruppe, den Status von und Entwicklungen in Bezug auf Kernwaffen, die mit ihnen verbundenen Risiken, die humanitären Folgen von Kernwaffeneinsätzen, die nukleare Abrüstung und damit zusammenhängende Fragen zu beleuchten. Die Gruppe plant, weitere Berichte zu verfassen, um die diskutierten Themen zu aktualisieren, zu ergänzen und zu vertiefen. Zudem bleibt sie offen für die Einbeziehung weiterer relevanter Themen, um ihren Beitrag zur Förderung der Diskussion und Forschung in diesem entscheidenden Bereich der internationalen Sicherheit und Abrüstung fortzusetzen.